Helle
Wiese, Jahrgang 1929, ist ein Urgestein
des Paddelsports. Seit über 40 Jahren
sitzt er im
Boot, paddelt als einer der ersten im
Faltkanadier und schreibt nebenher sein
berühmtes grünes
Buch. Auch eine Titanhüfte kann Helle
nicht bremsen.
Hallo Herr Wiese! Kommt es bei diesem
malerischen Namen nicht öftes zu
Verwechslungen?
Ständig, weil mein skandinavischer
Vorname gerne mit "Hella" verwechselt
wird. Helle bedeutet "harter Fels
ohne Risse"
Du
bist ein Faltbootpionier...
Eigentlich nicht - Pioniere waren die
Paddler in den 20er und 30er Jahren.
Dann
Faltkanadier - Pionier?
Schon eher. In einem dänischen Ausrüsterkatalog
las ich mitte der 60er von einem "Rucksackboot".
Alles worin das Wort "Rucksack"
vorkam, lies mich als alten Wanderer aufmerken.
So kamm ich schliesslich zum Paddel. Ausserdem
war meine Mutter Jahrgang 1892, schon
Mitglied im Kanuclub "Overfreunde
Hamburg". Da war ich natürlich
vorbelastet.
Mit
welchem Kanu ging es los?
Vermutlich bin ich wirklich der erste
Deutsche der einen Faltcanadier besass
- eines der ersten ALLY - Boote aus Norwegen.
Ein paar Jahre später unternahm ich
Versuche mit dem Prototypen eines Faltkajak
derselben Firma. Leider habe ich das Kajak
später in der Elbe versenkt, weil
mir die Kenterrolle nicht immer glückt.
Meinen ersten ALLY Faltcanadier besitze
ich noch. Er wiegt aber inzwischen deutlich
mehr, wegen der vielen Flicken.
Welche
Boote paddelst du heute?
Meist
mit einem Feathercraft Expedition, das
ich 1995 angeschafft habe. Ein schnittiges
Kajak mit gutem Sitz. Den Canadier paddle
ich nur noch im Sitzen wegen meiner Knie.
Warum
kein Festrumpf Kanu?
Ich habe kein Auto, Faltboote haben den
Vorteil, dass man damit in allen Verkehrsmittel
reisen und sie im Keller Lagern kannDann
das gering Gewicht - ich bin leider nicht
so stark, wie ich gerne sein würde.
Der Nachteil ist natürlich der Aufbauzeit.
Trotz aller Übung benötige ich
für den Aufbau des Feathercraft gut
50 Minuten.
Was
unterscheidet dich sonst vom Kanuten mit
dem Auto?
Meine Wutanfälle beim eindlosen Bootsbauen.
Dein
Lieblingsrevier?
Ausser den vielen bewässerten Teilen
Deutschlands haben mir Skandinavien, Schottland,
Kanada - genauer gesagt das Yukon-Territory
- und Spitzbergen gut gefallen.
Woher
kommt dein Spitzname Nuggedei?
Vom Goldwaschen. Ein ergänzendes
Hobby zum Paddeln.
Hast
du schon Gold gefunden?
Meinen ersten Gold Fund machte ich zufällig
- im nordschwedischen Nasa-Fjäll,
wo ein bärtiger Kerl am Wasser herumhantierte.
"Ich suche Gold", sagte er mir.
Ich langte durstig mit meinem Trinknapf
in den Bach und schöpfte neben Wasser
und etwas Sand auch mein erstes Nugget.
Später habe ich gezielt nach Gold
gesucht. Auf den Kleinen Hebriden fand
ich einmal 27 Gramm Gold in vier Stunden,
holte mir aber barfüssig im eisigen
Wasser eine üble Erkältung -
obwohl ich als geübter Eispaddler
nicht so empfindlich bin. Im Yukon fand
ich 38 Gramm, aus denen die Eheringe meiner
Tochter und ihres Mannes gefertigt wurden.
Darauf sind die beiden ziemlich stolz.
Bist
du beim Paddeln schon in gefährliche
Situationen geraten?
Sehr selten, denn ich bin übervorsichtig,
fast schon ängstlich, weil ich eigentlich
sehr gerne lebe.
Na
komm schon, nur eine kleine Kostprobe...
In Spitzbergen schaufelten mein Freund
Jürgen und ich den Canadier einmal
durch einen Fjord. Vor dem Kap Belvedere
gab es eine knifflige Engstelle, eine
sechs Meter schmale Lücke zwischen
der Steilküste und einem hohen Felsturm.
Erst hatten wir schönen Schiebewind,
doch der briste kräftig auf. Wellen
bis zu anderthalb Meter klatschten über
unser Gefährt. Das mit Klettband
befestigte Deck hielt, aber das Boot wurde
trotzdem immer voller. Die See rann durch
alle Ritzen, auch unserer Kleidung. Wir
lenkten mit äusserst gemischten Gefühl
auf die Durchfahrt zu. Dann drehte sich
das Boot. Korrigieren ging nicht, ich
schaffte es rein kräftemässig
nicht mehr. Der Durchlass war gerade so
breit wie unser Boot lang. Jürgen
schrie: " Wir müssen rückwärts
durch!"
Habt
Ihr es geschafft?
Mit mehr Glück als Können. Hinter
dem Turmerreichten wir einen relativ stillen
Winkel und konnten den Kahn an land zerren.
Dort erwartete uns ein traumhafter Zeltplatz
zur Erholung.
Deine
Kanutouren dauern oft mehrere Wochen,
auch vor Wildwasser schreckst du nicht
zurück. Ist das Alter kein Hindernis?
Eigentlich geht es mir noch ganz gut,
Ich mache Stepptanz und Quadrille, habe
es im Judo bis zum blauen Gurt geschafft,
in Karate ist es beim weissen geblieben.
Bis vor drei Jahren hab ich Aikido gemacht
und 17 Jahren lang Dressur geritten Dann
kam diese Hüftgeschichte - ein Kanuunfall.
|